Globales Mittelalter
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Horst-Werner Willenberg
Essen und Bielefeld
* 1954
Künstlerisch tätig seit 1968
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Das globale Mittelalter

 

„Mir vorzuhalten, das europäische Mittelalter als Vorlage für die sich anbahnenden globalen Zustände als Eurozentrismus oder verwestlichte Voreingenommenheit zu betrachten, mag sich im ersten Ansatz als berechtigt anfühlen – nur: hinterfragen wir erst einmal, bevor wir kritisieren.“
Markante Einleitungssätze wie diesen kennen wir bereits von Werner Vombusch. Auch diesmal bereitet er uns sprachlich darauf vor, was uns erwartet.

Vombusch beschreibt die gesellschaftlichen Strukturen Europas von etwa 500 n. Chr. bis 1500 n. Chr. Als zeitliche Marker dienen ihm der Fall des Weströmischen Reiches um 476 n. Chr. sowie die Entdeckung Amerikas durch Columbus im Jahr 1492. Bereits im einleitenden Teil analysiert er humanistisch und rational geprägte Gesellschaften außerhalb Europas – etwa Indien ab ca. 300 v. Chr., China ab ca. 500 v. Chr. und verschiedene indigene Kulturen vor dem 15. Jahrhundert.

Ein umfangreiches Kapitel widmet sich dem Orient und dem „Goldenen Zeitalter des Islam“ zwischen dem 8. und 13. Jahrhundert. Vombusch beschreibt die aus China übernommenen Techniken der Papierherstellung, die indische Null als Basis der heutigen Algebra sowie das „Haus der Weisheit“ in Bagdad – ein Ort, an dem das Wissen der Antike mit Erkenntnissen aus Asien und der arabischen Welt zusammengeführt wurde. Dort arbeiteten Menschen unterschiedlichster Herkunft: Muslime, Juden, Christen, Inder, Chinesen und andere. Die Fortschritte in Mathematik, Medizin, Astronomie und Philosophie führten zu einer regelrechten Erkenntnisflut – die an Europa, nicht zuletzt aufgrund der Dominanz des christlichen Abendlandes, weitgehend vorbeiging.

An dieser Stelle ahnen viele Lesende, wohin Vombusch mit seinem Werk Das globale Mittelalter steuert. Fast beiläufig wechselt er in die Gegenwart und skizziert die Entwicklungen seit 1945. Dabei geht er unter anderem auf folgende Themen ein:

  • Die Weiterentwicklung von Sozialsystemen wie Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherungen
  • Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Jahr 1948
  • Frauenwahlrecht und Bürgerrechtsbewegungen
  • Der verbesserte Zugang zu medizinischer Versorgung und Bildung – jedoch nur für wenige, meist in Europa und Nordamerika
  • Die digitale Revolution in Kommunikation und Informationsverarbeitung
  • Wie gewohnt lässt Vombusch am Ende die bittere Pille nicht aus: Mit sichtbarem Missvergnügen beschreibt er die Rückentwicklung vieler Errungenschaften. Seine Schlusssätze sind deutlich:

„Wir erleben den Beginn einer globalen Ära von Intoleranz, Wissenschaftsfeindlichkeit, Populismus bis hin zu diktatorischen Personenkulten und religiösem Fanatismus in allen Glaubensgemeinschaften. Eine Aufhebung, Rücknahme und Umkehr unzähliger Errungenschaften ohnegleichen, für die uns die Geschichte belächeln und betrauern wird.“

Bielefeld, 15. April 2025