Das Internet – ein Selbstbestätigungsobjekt
Dieses Werk von Werner Vombusch ist weniger bekannt, oder eher doch unbeliebter als viele andere Schriften von ihm. Was sich nach den ersten Zeilen ahnen lässt. Er seziert mit jedem Satz immer tiefere Schichten des Dilemmas: Anerkennungssucht oder Verleugnung. Er fordert uns auf, das Internet im Großen und Ganzen zu betrachten, um uns selbst zu fragen: Geschieht hier irgendetwas, das nicht darauf hinausläuft, meine Meinung, im Guten wie im Schlechten, bestätigt zu bekommen?
Beklemmend wird es beim Weiterlesen. Vombusch konfrontiert uns, egal ob im Konsumdschungel oder den Meinungsschlachten, mit dem Umstand, dass wir stets kaufen, was unseren Gefallen bestätigt und nicht akzeptieren, was unseren Ansichten widerspricht. Einen echten Unterschied im Vorgang der Selbstbestätigung, ob positiv oder negativ, legt Werner Vombusch als bedeutungslos bloß, weil es uns letztlich immer um die Bestätigung der bejahenden oder verneinenden Ansicht geht. Und er wirft hier die Frage ein, ob der einzige Unterschied vom Internet zu Reklamebroschüren und Parteienwerbung in der „Dialogfähigkeit“ des Internets besteht. Um sogleich die „Dialogfähigkeit“, wie nebenbei, als lautes Selbstgespräch eines PBS/SI (Pattern based system / Simulierte Intelligenz), eines auf Mustererkennung basierenden Systems, als Grundlage einer Simulierten Intelligenz, nachzuzeichnen. Und setzt hier die Mutmaßung auf, dass wir selbst, die Internetkonsumenten, uns in diesem „Dialog“ gleichsam auf der Suche nach der wahrscheinlicheren Strategie eben jene Dialoge, suche, bestätigen, verstärken, begeben, die unseren gefühlt wahrscheinlichsten Interessen entsprechen.
Nicht genug damit, geißelt er alle, und schließt sich selbst nicht aus, wie nutzlos Widerstand erscheinen kann. Ob nun die KI auffordern, Lobhudelei zu unterlassen, was diese nicht davon abhält, den wahrscheinlichsten der menschlichen Erwartungswerte erfüllen zu wollen. Oder aber das Vorgehen gewappneter Gesprächsteilnehmenden Menschen, die aus Ihrer Haut nicht raus können, mit jeder Frage eine Antwortwahrscheinlichkeit transportieren.
Obwohl die Problematik erst vor drei Jahren, 2022, ins Rollen kam, kommt die Lawine mit audiovisuellen Deepfakes gerade erst in Gang. In diesem Szenario zu erkennen, wer, was, wem, warum vormacht – nahezu unmöglich. Da hilft es auch nicht, wenn die BigTech-Konzerne Gebührenschwellen legen, die im Effekt nur die Illusion unterstützen, die Zahlungsfähigen seien besser bedient als das sich kostenlos amüsierende Fußvolk. Eds erinnert, so Vombusch, an das „lasst mich vor, ich bin Privatpatient“, was ebenfalls fatal ist, wenn es die Stufe erreicht, das Privileg an sich schütze a priori vor Unbill.
„Wo sind hier die Auswege“, fragt Vombusch alle Netzwesen-Entitäten, wie er uns alle gerne nennt. Er spannt den großen Bogen, den er sieht, wobei die umfängliche Beschreibung von Meinungsblasen ein eigenes Buch füllen könnte. Danach zeigt uns seine Sicht auf das Licht am Ende des Tunnels, die auf Koproduktion ausgerichteten Wissenskommunikationen. Um wieviel wichtiger Medienkompetenz in kurzer Zeit geworden ist, die Zunahme kritischer Öffentlichkeit, die Werner Vombusch natürlich viel zu langsam geschieht. Nicht zuletzt die noch geringe Nutzung alternativer Medienplattformen, die demokratische Freiheiten nicht bis zur Selbstzerstörung eben derselben zulassen.
Hierbei holt Vombusch weit aus. Er empfiehlt die Weiterentwicklung von Plattformen, die auf Meinungsvielfalt statt Nutzerzahlen ausgerichtet sind, qualitative Produktbeschreibungen anstatt konsumintensiver Artikel. Soziale Plattformen mit Workshopangeboten mit zufällig eingestreuten Gegenpositionen und begleiteten Zusammenfassungen. Das alles mit dem Ziel, der Zivilgesellschaft ein detailliertes Spektrum anzubieten, dass für Trolls und andere Störenfriede so unübersichtlich wird, dass die eingesetzten Bots leicht aussortierbar werden.
"Mediatoren könnten systematisch logische Brüche markieren und argumentative Inkonsistenzen transparent machen: Wenn Position A Argument X stützt und Position B dasselbe Argument X verwendet, warum führen sie zu widersprüchlichen Schlüssen? Diese Methode würde Trolling-Strategien bloßlegen, ohne in Zensur zu verfallen. Darüber hinaus sollten argumentative Doppelstandards systematisch dokumentiert werden: Wer heute Argument X gegen Position Y verwendet, aber gestern dasselbe Argument für Position Z einsetzte, wird transparent gemacht. So würden manipulative Diskursstrategien sichtbar, ebenfalls ohne den Diskurs selbst zu zensieren.""
Doch Werner Vombusch ist längst nicht mit uns fertig. Er empfiehlt, den „Lobhudelei-Modus“ abzuschaffen und durch eine wissensvertiefendes Dialogangebot, zugeschnitten auf das Gegenüber oder die Klientel zu ersetzen: GENERELL.
Die Empfehlung dezentraler Verifikationsnetzwerke, in denen Inhalte durch kollektive Plausibilitätsprüfungen validiert werden, komplettieren seine Wünsche zum Deep-Fake-Dilemma.
Werner Vombusch stellt klar: „Das Internet ist keine neutrale Bühne, sondern ein Strukturverstärker, und wir alle sind aufgefordert, Räume zu schaffen, in denen nicht Bestätigung, sondern Erkenntnis möglich wird. Notwendig ist die mündige Teilhabe mehr denn je, wie die Mitgestaltung wissensaufbereitender Räume.
Die zentrale Frage darf nicht heißen, was tut Big Tech, sondern was wir trotzdem tun!“
Diesen Worten weiß auch der Rezensent nichts hinzufügen, oder vielleicht doch:
Möge es gelingen!
(Bielefeld, 28.6.25)
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