Im Netz
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Horst Willenberg
Essen und Bielefeld
* 1954
Künstlerisch tätig seit 1968
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Im Netz

Meinem WESEN gerecht werden, eine Slalomfahrt zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Erbauliches wie Leidiges stehen sich gegenüber. Es hält sich nicht die Waage, darf es nicht. Ich will für jede konstruktive Phase ebenso Freude empfinden, wie für jede Schlammschlacht jene Trauerarbeit leisten, die mein notwendiger Anteil ist. Dem NETZ gerecht zu werden, fängt mit dem Unbehagen an, dass ich empfinde, wenn ich feststelle, "mein" Netz zu meinen. Das NETZ ohne jede Einschränkung als Gesamtheit aller Teilnehmenden wahrzunehmen, egal ob sie gezielt oder zufällig dabei sind. Den Technikern jede Unterstützung zukommen lassen, die einen menschengerechten Umgang im Netz erlaubt. Ich empfinde mich als NETZWESEN, habe mich dem Netzwesen zugewandt.  Der Begriff Nachrichtenraum hat eine Bedeutung bekommen, die noch nicht verkehrsüblich ist - als Erklärungsmuster einen besseren Darstellungsansatz denn Datenautobahn bietet. Das /NETZWESEN/ bietet Schnittstellen und Systemen eine Nachrichtengrundlage. Um ein Medium zu bilden, prägt sich im /NETZWESEN/ der Organismus aus. Eine zerbrechliche Utopie? Ein zwangsläufiges Phänomen? Jedenfalls eine Evolution, das materiell Machbare und das menschlich Denkbare beginnen einander zu beeinflussen. Mich fasziniert, dass ich als Netzwesen im Netzwesen aufgehen kann, ohne meine Individualität zu verlieren. Dem /NETZWESEN/ gerecht zu werden kann eine Chance sein, unser Selbst und unser Miteinander zu erkennen. Im Netz gefangen, nur "meinem Netz" unbefangen gegenüberzustehen, dem System huldigen - Nein! Ich will und werde mich auf Dauer im Netz bewegen und jede Schranke, die mir nur ein System, ein paar Schnittstellen und den einen oder anderen “Blick über den Zaun” aufdrängt, als das zurückweisen, was sie ist: Künstlich wie die Grenzen auf der Landkarte, zukunftsloser Feudalismus. Die materielle Zwangsjacke abgelegt haben wir noch lange nicht. Aber verblüfft eine Ahnung solcher Freiheiten zur Kenntnis nehmen können wir. Zurzeit findet die Finanzierung des Internets immer noch in jeder Menge Schattierungen zwischen Selbstausbeutung und Bauernfängerei statt, die Motivationen pendeln zwischen Kunst und Kommerz. In der Regel muss die Feststellung gemacht werden, dass sich die Anbieter, wenn überhaupt, als privilegierte Anwender verstehen. Die Zahl der Anwender, die sich als Netzbetreiber verstehen, ist deprimierend nachvollziehbar gering. Das strukturverstärkende System namens INTERNET bietet ausreichend informierten Personen an, die Welt mit nie gekannter sozialer Reichweite zu erfahren - als globales Dorf anzusehen. Dies ist ebenso wünschenswert wie fatal. Symptome einer seltsamen Vermischung von massiven Interaktionen bei anonymer Vereinsamung, Sprachgewandtheit und der Unfähigkeit persönlicher Kontakte müssen wahrgenommen werden.

Jeder Teilnehmer am Internet betreibt zumindest potentiell einen Infoladen im Bereich der selbst gestellten Zielsetzungen. Diese sozialpolitische Notwendigkeit zu erkennen, und ihr eine hohe Priorität einzuräumen, wird ständiger Anspruch an die NETZWESEN sein. Nicht Profitabilität oder Selbstausbeutung, sondern Verknüpfungen mit der nicht - vernetzten Welt waren und sind die einzig akzeptablen Werte, aus denen die Qualität des /NETZWESEN/ abzuleiten ist. Diese regionale Klein- und Schwerstarbeit wird uns durch alle Stadien der wirtschaftspolitischen Entwicklung führen. Aber auch zu der Gewissheit, dass eine menschliche Beziehung nur von Menschen ausgeht, die sie im persönlichen Umgang erlernt haben. Diese Pflicht darf, bei allem Respekt vor den Leistungen, nicht in der Willkür abgeschotteter Denkfabriken oder politischer Entscheidungsträger verbleiben. Dieses Medium ist potentiell der Strukturverstärker des fünften Machtfaktors: Legislative - Judikative, Exekutive, Informative und das /NETZWESEN/

Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen von den Stimmen, die meinen, geltendes Recht und Politikverständnis sei nun 1:1 zu übertragen. Dieses Medium ist KEINE Einbahnstraße. Wir können aber noch mehr daraus machen. Wohin die Reise uns führt? Ich weiß es nicht, aber wir alle können den Anfang machen.

/NETZWESEN ...überall!

 (9.10.1991 / 4.5.1992 / 25.10.2009)