Im Schussfeld - NeueinsteigerInnen
Der Briefkasten auf dem eigenen Schreibtisch war und ist vielen Menschen, die davon Wind bekommen haben, eine durch und durch attraktive Vorstellung. Was aber erleben sie und wie verhalten sie sich, wenn sie dieser Attraktivität nachgehen? Das Märchen vom problemlosen Anschluss, die Legende, mit ein wenig Technik und guter Software habe mensch was benötigt wird, muss in den Köpfen derer, die bereits in den Netzen tätig sind, korrigiert werden. Zuviel Beharren auf die eigene Fehlerlosigkeit, zu viel Naivität vom Innenraum der Netze ausgehend, versperrt den Blick auf die Ursachen für die Aggressivität, mit der immer weitere Kreise auf vernetzte Medien reagieren. Mein Erfahrungskreis ist sicherlich nicht exemplarisch, bietet aber die Möglichkeit, einen großen Teil des Umfeldes und der Fragen, bzw. möglicher Antworten abzustecken. Langjährige Arbeiten als EDV-Trainer/Referent, im gewerblichen Bereich kommerziell, im Umwelt- und Menschenrechtsbereich ehrenamtlich, meine vieljährige intensive Mitarbeit im Netz und meine lokale Tätigkeit als Mitbetreiber einer Mailbox sowie meine mannigfaltigen Hilfestellungen für Menschen der Region, die einen Einstieg in die Szene suchten, geben mir immerhin die Chance, die Doppelbödigkeit des Arbeitstitels "Im Schussfeld - Neueinsteigerinnen" ein wenig auszuloten. Es soll nicht darum gehen, Abgründe zwischen den Etablierten und den Laien zu ziehen. Aber die Naivität wie auch die Aggressionen, die den früheren Zustand weitest gehenden Ignorierens auf gesamtgesellschaftlicher Ebene, nun nach und nach mit einer Spaltung in Ablehnung und Befürwortung ersetzt, nimmt Ausmaße an, denen bei weitem nicht mehr durch eine Innenpolitik der Netze allein mehr begegnet werden kann. Um einen Schlüssel zu diesen Umständen zu finden, werde ich zwei Szenarien entwickeln: a) den idealen Einstieg, b) den fatalen Ausstieg. Beide Szenarien werden Konstrukte sein, denen es weniger um einen möglichen Wahrheitsgehalt, weniger um die Beschreibung tatsächlicher Ereignisse, als denn um eine schlüssige Formulierung der Extreme geht, zwischen denen die Realität sich abwickelt.
a) Wie es sein könnte, aber fast nie kommt
Der Elektrotechniker Klaus P. war früher nie besonders begeistert von der Computerszene. Computerspiele empfand er als Einengung seines körperlichen Bewegungsdranges, die Software in Schule und Ausbildungsstätte wurde schneller gewechselt und/oder nachgebessert, als er innerhalb der Schul- und Arbeitszeiten realisieren konnte. Computertechnologie war für ihn nur ein anderes Wort für Freizeitdiebstahl, insbesondere nach der Ausbildung zwang ihm die Arbeitsstelle Kurse außerhalb der Arbeitszeiten auf, sein Marktwert wurde zu schlechter letzt davon abhängig, dass er sich einen Computer zulegte und sich Raubkopien anschaffte, um so stets auf dem Laufenden sein zu können, denn in der Firma sollte er arbeiten statt zu lernen. Klaus P. entwickelte Argumentationsstrategien innerhalb des Mitarbeiterkreise und sprach auch mit der Geschäftsführung über die Notwendigkeiten, sich langfristig auf bestimmte Produkte festzulegen, um sowohl dem Frust der ausführenden Tätigen zu begegnen als auch eine gewisse prä-computeriale Wirtschaftlichkeit wiederherzustellen. Alles in allem fand Klaus P. seinen Weg. Die wieder für seine privaten Interessen errungene Freizeit füllte er mit Aktivitäten in der Jugendarbeit auf und stieß dort nach und nach immer öfter auf Hinweise über den Gebrauch von Computern als Kommunikationsmittel. Klaus P. `s Jugendarbeit fand im energietechnischen Bereich statt, der Entwicklung und Verbreitung von Solardächern galt sein großer Ehrgeiz. Hierfür hatte er auch die notwendigen Kontakte. Die Schilderungen, per email und Onlinekonferenzen könne er seine Kontakte nun aber, bei vorhandener Technik, ungewöhnlich günstig in einem viel größerem Forum erweitern und vertiefen, machten ihn hellhörig und er begann in seiner bekannten Zielstrebigkeit diesen Angeboten nachzugehen. Schon binnen zwei Monaten war sein PC um ein Modem erweitert, er hatte die ersten online-Anrufe hinter sich und die sorgfältige Absprache mit den Systembetreibern, eine leicht lesbare Kontaktwunschaussage in den richtig platzierten Bereichen wurde vielfältig und reichhaltig beantwortet. Jetzt benutzt Klaus P. ein hochentwickeltes Programm, dessen Verteiler- und Serienbrieffunktionen ihm viele Möglichkeiten anbieten, die Kontakte ganz auszunutzen. Nachdem Klaus P. nun den ursprünglichen Ansatz durch eigene Überlegung und durch ständiges Hinterfragen des Anbieters erfolgreich umgesetzt hat, begann er sich in den restlichen Foren intensiv umzuschauen. Erst mit Verwunderung, dann mit Erschrecken erkannte er das ungeheure Chaos, das an manchen Stellen herrschte und zog sich zwar nicht zurück, aber schaffte sich schon einen Überblick, welche der vielen Diskussionsforen ihm interessant genug erschienen, sich auch mit dem dortigen Durcheinander zu beschäftigen und sich selbst einzubringen, bzw. andere auf sich einwirken zu lassen. Heute ist Klaus P. einer, von dem wir nicht viel lesen, der aber in jedem Brief eine Art abgeschlossen Roman absetzt, der, wenn er sich um einen Neuling kümmert, dies mit Sorgfalt tut. Konflikte versucht er immer rechtzeitig zu erkennen und verständlich für alle zu beschreiben, er sucht sie aber nicht, und wenn doch, mit einem klaren Ziel und nicht zum Selbstzweck. Auch im koordinativen/administrativen Bereich wirkt er gemäß seiner Art mit. Klaus P. gibt weiter, was ihm selbst widerfahren ist. An sich hat Klaus P. nur einen Fehler: eine gewisse Naivität darin, was andere verkraften.
b) Wie es nicht sein sollte, aber oft nahe dran ist
Marianne B. fiel schon in der Schule damit auf, dass ihr soziale Probleme wichtiger warn als "der technoelitäre Selektionskram der da abgezogen wird". Der Kontakt mit dem Computer war für sie das nackte Grauen, nirgendwo sonst war ihr so deutlich bewusst gemacht worden, dass sie eine Frau sei und sich in ihrer Emotionalität doch besser an den nun wirklich gutmeinenden Hinweisen männlicher Ratgeber orientieren solle. Früh engagiert als Robin- Wood-Aktivistin entwickelte sich vor ihren Augen mit dem "Praktischen Computerkurs" mehr eine Einführung in "technokratische Verführungsmuster" als denn eine Einsicht darin, dass diese Dinger für irgendwas gut seien. Erst ein Zufallskontakt im regionalen Umweltzentrum mit einer Arbeitsgruppe, die bundesweit Bodendaten, damals im Diskettenaustausch per Sackpost, betrieb, und die Vorführung eines versierten und sensiblen Anwenders, gaben ihr ein wenig Einblick darin, dass Männer Computer nicht nur als Ersatz für Sohnemanns Spielzeugeisenbahn nutzen. Als Marianne B. die journalistische Laufbahn einschlug, blieb ihr noch eine Erinnerung an die letzte Neuerung dort, dass die Daten nun via E-Mail ausgetauscht und abgeglichen wurden, sodass eine überlappende Kartographierung schlagartig in erreichbare Nähe rückte. Marianne B. war sich sicher, dass dort ein Instrumentarium entstand, das die amtlichen Verlautbarungen mit eigenen Erkenntnissen hinterfragen kann. Marianne B. wäre nicht sie selbst gewesen, wenn sie innerhalb der Journaille nun plötzlich einen reibungslosen Weg gefunden hätte. So überwand sie sich selbst und lernte mit dem Druck umzugehen, der ihr als "nicht ausreichend männliche Frau" um die Nase stürmte. Zwar teilte sie die Technikbegeisterung an sich nicht, aber als Journalistin war ihr schon klar, dass die Entwicklung von Kommunikationsmittel und -medien zu beobachten, neben der stilistischen Verfeinerung, einen Großteil ihrer Arbeitsfähigkeit ausmacht. Angeregt durch Hinweise, sich im Rechnerraum doch mal die E-Mail-Foren anzusehen, und in guter Erinnerung an diese irren Typen mit ihren Bodendaten, ging sie sehr aufgeschlossen und neugierig an einen Terminal. Ihre Frage "und nun?" verhallte nicht ungehört und innerlich seufzend ergab sich dem Schicksal, einige Hinweise zu brauchen, stattdessen aber drei durcheinanderplappernde Männer rund um sich zu haben, die ihr weniger zeigten oder erklärten als denn ihr die Tastatur entrissen und sich stritten, was denn nun der beste Einstieg, wo denn die schönsten Beispiele usw. seien. Marianne B. hat ihr Leben lang gelernt, in solchen Situationen zuzuhören und abzuwarten und dann einfach zu tun wonach ihr war. Nach einer halben Stunde schon durfte sie die gewonnenen Erkenntnisse dann umsetzen. Neugierig begann sie zu blättern und zu lesen, um quasi sofort zu stutzen: Da stritten sich einige um etwas völlig Unnachvollziehbares im Klohausjargon, an anderer Stelle begegnete ihr eindeutige Nazipropaganda ohne jede Kommentierung und zu schlechter letzt konnte sie sich unter dem Aufruftitel "Stute verführt Hengst" solches wortwörtlich als Bild in 256 Farben antun. Marianne B. war schlicht schockiert. Ihre ursprüngliche Fragestellung war doch, Informationen abrufbar vorzufinden, sie war innerlich sogar darauf vorbereitet, dass sie diese Informationen keineswegs in Form von Pressemeldungen oder Datenbankinformationen, sondern als Gedankenaustausch vorfinden würde. Nicht die Schweinereien und Belanglosigkeiten an sich störten sie sonderlich, sondern das alles nach regelrechten Weiheritualen vorzufinden, machte ihre tiefe Enttäuschung aus. Marianne B. begann nun, "dies alles doch mal gründlich zu recherchieren. Stichprobenartig begann sie über eilends geknüpfte Kontakte das ganze zugängliche Spektrum öffentlicher Foren abzuarbeiten und ihr anfänglicher Eindruck, dass das Netz der Verbreitung zutiefst menschenverachtenden Materials sowie einem Endlosaufguß erhärteter und maßloser Positionen dient, wurde mehr und mehr von ihr verinnerlicht. Inzwischen ist Marianne B. Mitarbeiterin einer großen Wochenzeitung und zwar das Küken, doch als sie bei entsprechender Fragestellung einbrachte, dass sie sich "mit diesen Medien" durchaus schon beschäftigt habe, wurde ihr in einer gewissen Dankbarkeit der Themenbereich zur Aufbereitung übergeben. Marianne B. schreibt nun über die Szene, wie sie sie kennengelernt hat und lässt kein gutes Haar an jenem technophilen Netzwerk der gescheiterten guten Absichten, in dem Rassisten, Terroristen aller Richtungen sich mit Pädophilen und Ignoranten ein munteres Stelldichein geben, und in dem Neulinge von selbsternannten Lokalgottheiten zur Räson gebracht werden, je mehr sie diesen Scheinfrieden stören (ihre bitterste Erfahrung, als sie sich dann doch traute, hineinzuschreiben). Marianne B. sympathisiert weder mit der bundesdeutschen Innenpolitik noch mit EMMA, aber sie ist zutiefst überzeugt, dass den Papiermedien hier weniger eine Gefahr im Sinne einer Konkurrenz als denn im Sinne eines Gesichtsverlustes aller ernsthaften Journalistinnen droht. Und so kämpft sie, im Bewusstsein, dass es nicht noch schlimmer werden darf, wie es auf dem üblichen Medienmarkt schon ist, gegen diese ganze elektronische Abbild einer Papiertigerszene mit aller Kraft und ihren Mitteln. Marianne B. hat nur einen Fehler: Dass sie die Bodendatengeschichte inzwischen gänzlich vergessen hat und nicht ahnt, wem sie nun schadet.
Der Umstand, dass es Marianne B. und Klaus P. höchstwahrscheinlich in der einen oder anderen Art wirklich gibt, ist kein Fehler - jedenfalls nicht ihrer, sondern wenn wir es Fehler nennen wollen, dann einen Fehler im System. Wer also gerät nun in wessen Schussfeld? Die höchst sozial engagiert wirkende Marianne B. könnte ohne Schwierigkeiten vom augenscheinlich technokratischem Klaus P. jede Menge lernen. Wir aber müssen uns fragen, wie dieses Ungleichgewicht überhaupt zustande kommt. Zweifellos ist so manches sehr wahr, was oben beschrieben wurde. Aus meinem Erfahrungskreis kann ich es nur bestätigen. Gerade die Engagierten unter uns müssen sich fragen lassen? Und? War es das schon? Wie viel weiß ich eigentlich über meine Mitnutzer? Reichen selbst Unterweisungen, wöchentliche Treffmöglichkeiten, ein eigenes Medien Café, denn wirklich aus, um die Ansätze zur Rosa Brille eines Klaus P. und zum technophilen Argwohn einer Marianne B. rechtzeitig zu erkennen und anzugehen? Antworten wie "das kann ich mir nicht auch noch aufbürden" und/oder "da vertraue ich den Selbstheilungskräften der Foren" zeugen bestenfalls davon, dass solche Anbieter immer noch ganz begriffen haben, dass sie öffentliche Aufgaben übernommen haben. Natürlich, irgendwie ist Klaus P. für seine Rosa Brille selbst verantwortlich, und letztlich hätte Marianne B. besser recherchieren sollen. Nur, haben wir ihnen je eine Chance dafür gegeben? FAQ`s (Listen/Dokumente zu oft gestellten Fragen) informieren, aber die gerissenen Wunden können sie weder aufzeigen noch gar heilen. Es geht also nicht darum, Klaus P. weiter in seinem heile-Welt - Trauma bezüglich den Netzen zu belassen, oder den Groll einer Marianne B. nun mit geharnischter Polemik entkräften zu wollen. Die Gesamtöffentlichkeit außerhalb unseres Mikrokosmos ist bestenfalls neugierig und aufgeschlossen, schlimmstenfalls desinteressiert oder abgeschreckt. Statt nun Marianne B. zu schelten oder Klaus P. ruhig vor sich hindümpeln zu lassen, ist es mehr als fünf vor zwölf, liegt an, beide auf die politische Brisanz ihres Vorgehens hinzuweisen. Klaus P. schadet vorrangig nur sich selbst, indem er sorgfältig nichts groß an sich ran lässt, was außerhalb persönlicher Ereignisräume liegt. Marianne B., ihr und uns und auch der ganzen Gesellschaft hingegen haben wir deutlich geschadet. Das Bild, das Marianne B. von der Szene gewonnen hat, ist nicht auf ihren Mist allein gewachsen. Nein, wir sind nicht verantwortlich für die Persönlichkeit von Marianne B., aber tragen Mitverantwortung für ihren Kenntnisstand und somit auch für ihre Vorgehensweise. Eine panische Reaktion, hier nun Gegenöffentlichkeit zu schaffen, ist schlicht nur ein Einstieg in das übliche Gerangel um die Publikumsgunst. So vorzugehen heißt, uns der derzeit wichtigsten Multiplikatoren endgültig zu berauben. Krass gesagt, wenn uns nichts Besseres einfällt, als mit denselben Waffen zurückzuschießen, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn die Spirale sich einfach nur weiterdreht.
Auch wir, verehrte alte Häsinnen und Hasen, sind Neueinsteiger. Nachdem wir nun jahrelang eine im Verborgenen gelegene Nische ausfüllten, werden wir eher als vermutet auf den Marktplatz geschliffen. Unsere ständigen Beteuerungen, dafür bereiten wir uns noch vor, verhallen inzwischen ungehört. Unser Medium wurde inzwischen nicht nur von Klaus P. und Marianne B. entdeckt, sondern von einer nicht bekannten Zahl von Kindern und Rentnern, von Politaktivisten und Marketingstrategen, von linken wie rechten Terroristen, von Ignoranten wie Spekulanten ebenso wie von ruhig arbeitenden Menschenfreunden wie emsig agierenden Künstlern. Nur: wir sind keineswegs schuldlos. Alle nicht! Klaus P. könnte seine Rosa Brille wirklich auch mal ablegen, schließlich ist er ja nun erwachsen. Marianne B. täte gut daran zu erkennen, dass sie nicht die Sintflut aufhält, sondern jenen Teilen der Staatsräson zuarbeitet, denen ein freies Kommunikationsmedium ein Dorn im Auge ist, und dass sie mit ihrer Vorgehensweise mit daran arbeitet, die Freiheit der Meinungsäußerung, transportiert über den durchaus vorhandenen soziotechnophilen Aspekt der Netze, mit zu untergraben. Vorausgesetzt, Marianne B. hat noch einen Funken journalistischen Ehrgeiz, sollte sie erkennen, dass sie anfängt, sich selbst das Wasser in der nächsten soziotechnischen Evolutionsstufe der Kommunikationskultur abzugraben. Wir aber, hier im Mikrokosmos, täten sehr gut daran, erst mal festzuhalten, dass uns jetzt als Neueinsteiger im Medienmarkt genau das widerfährt, was vielen, vielen NeueinsteigerInnen ihm Netz geschieht: Eine auf den ersten Blick nicht nachvollziehbare Anmache. Unübersichtliches Frontverhalten der meisten Beteiligten. Ein Bruch mit den bisherigen gültigen Erfahrungen. Diesen Erfahrungseinbruch sich nun gegenseitig vorzuwerfen, welchen Sinn macht das? Eigentlich keinen, aber lässt sich wenigstens festhalten, wem all dieser an sich kleinkarierte Ärger nutzt? Klaus P., Marianne B., DU und ICH laufen in Gefahr, unser Anliegen möglichst ungehinderter Meinungsverbreitung unterbunden zu bekommen, mit dem Ziel, auch das Internet nach altbekannter Sitte in den militärisch-politisch-wirtschaftlichen Komplex einzufügen. Damit, nun Akzente setzen zu wollen, wo es um Aspekte geht, wird uns keinesfalls gedient. Die altehrwürdige Medienkultur ist entsetzt von diesem enfant terrible, will nichts davon wissen, dass wir Kinder ihrer soziotechnischen Visionen sind. Ebenso wenig wollen wir wahrhaben, dass eben jene als Journaille auftretende Gruppe unsere geistigen Eltern sind. Doch mit Versöhnung wird uns nicht gedient sein. Wie alt und erfahren wir hier "drinnen" auch sein mögen, wir sind die Jüngeren, dass ganze Recht, ja die Pflicht aller Bilderstürmer ist auf unserer Seite. Doch auch ein Heranwachsender kann lernen, dass es zum erwachsenwerden gehört, Fehler zu wiederholen, um sie anders zu lösen, wodurch bedingt der Vorwurf der Fehler selbst eben völlig berechtigt ist. Den klassischen Medien fällt dabei, wie schon immer den Altvorderen, die ungleich größere Verantwortung zu: Einerseits die Hebel der Macht so zu bedienen, dass etwas zum Hineinwachsen übrigbleibt, andererseits diese Macht nicht jenen überstülpen zu wollen, die sie mit ihrem geistigen Leben und Wirken letztendlich zu diesen Schritten ins Neuland ermuntert haben. Beides sehe ich, offen gestanden, zurzeit nicht sonderlich gegeben. Eine echte Pionierstimmung will nicht aufkommen. Stimmen im klassischen Medienbereich, die neue Visionen fordern, sind überlagert von der Wehmut nach der Zeit vor CNN. Noch sehen zu wenige, dass da überhaupt ein neues Land ist, zu dem aufzubrechen sich lohnt. Ihr Blick wird von denen behindert, die auch den letzten Profit, selbst zum Preis der vorläufigen Verelendung, aus den an sich Reisefertigen ziehen wollen.
Mo 22.11.93, 13:14 / Mo 14.1.12, 10:09
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